Aggressive Kunden am Telefon

Beschwerdemanagement: Aggressivität am Telefon

Wenn Kunden die Beherrschung verlieren

Ja, es gibt tatsächlich Hinweise darauf, dass die Aggressivität von Kunden gegenüber Mitarbeitern in Behörden und Unternehmen in den letzten Jahren zugenommen hat.

 

Ein 32-jähriger Mann aus Mannheim griff eine Mitarbeiterin des Sozialamts mit einem Messer an, nachdem seine Anfrage zur Übernahme von Mietrückständen abgelehnt wurde. In Duisburg trat ein verärgerter Besucher die Tür einer Behörde ein, und in München schlug ein Antragsteller eine Angestellte so heftig, dass sie ärztliche Hilfe benötigte. Diese Vorfälle verdeutlichen die zunehmende Gewaltbereitschaft in behördlichen Einrichtungen.

 

Doch nicht nur Verwaltungsmitarbeiter, Zugbegleiter und Polizisten sind zunehmend Zielscheiben für aggressive Verhaltensweisen. Auch in Branchen wie dem Finanz- und Gesundheitswesen, im Einzelhandel und in der Telekommunikation wird der Umgangston rauer. 

 

„Die Kunden werden aggressiver, die Gewaltbereitschaft nimmt zu“, so Matthias Neu, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Hochschule Darmstadt. Für seine Studie "Aggression und Gewalt im Kundenkontakt" befragt er regelmäßig Unternehmen und Behörden: "Wie häufig treten Konfliktsituationen auf, in welchen Bereichen und wie sehen diese aus?"

 

Seine Analyse zeigt: Konflikte nehmen immer weiter zu, speziell im direkten Gespräch und am Telefon mit Kunden. Besonders betroffen davon sind Mitarbeiter im Service und Verkauf. Am häufigsten gibt es Beleidigungen und verbale Streitereien, aber auch körperliche Angriffe und Bedrohungen mit Waffen nehmen zu. Immer mehr Unternehmen sind deswegen darüber besorgt, dass ihr Kundenservice darunter leidet, weil die Mitarbeiter unsicherer werden.  Denn Sie befürchten, dass Kunden in Zukunft noch konfliktfreudiger und aggressiver werden könnten.

Gründe für zunehmende Kundenaggressivität

Diese Entwicklung hat verschiedene Gründe und Auswirkungen:

 

1. Steigende Erwartungen

Kunden haben heutzutage sehr hohe Ansprüche an den Kundenservice. Sie erwarten sofortige und maßgeschneiderte Lösungen für ihre Probleme, oft schneller als Unternehmen sie realistisch bieten können. Diese Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität führt häufig zu Frustration und kann aggressive Reaktionen auslösen.

 

2. Frustration durch automatisierte Systeme

Viele Kunden sind zunehmend genervt von automatisierten Sprachdialogsystemen und langen Wartezeiten, bevor sie einen menschlichen Mitarbeiter erreichen. Diese Systeme, obwohl zur Effizienzsteigerung gedacht, geben den Menschen das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Die aufgestaute Frustration entlädt sich dann oft am Mitarbeiter, der schließlich ans Telefon kommt.

 

3. Stress und Zeitdruck

In unserer schnelllebigen Gesellschaft stehen viele Menschen unter konstantem Zeitdruck. Dieser allgemeine Stress macht sie weniger geduldig und tolerant gegenüber Verzögerungen oder Problemen. Wenn dann im Kundenservice nicht alles sofort klappt, reagieren sie schneller gereizt und aggressiv.

 

4. Anonymität

Die fehlende persönliche Begegnung am Telefon senkt bei vielen Menschen die Hemmschwellen für unangemessenes Verhalten. Ohne direkten Blickkontakt und physische Präsenz fällt es manchen Kunden leichter, ihre Frustration in Form von verbaler Aggression auszudrücken.

 

5. Soziale Medien

Die Gewöhnung an schnelle, direkte Kommunikation in sozialen Medien beeinflusst die Erwartungen an den Kundenservice. Kunden sind es gewohnt, sofortige Reaktionen zu erhalten und ihre Meinung ungefiltert zu äußern. Diese Erwartungshaltung übertragen sie auf telefonische Kundeninteraktionen, was zu Ungeduld und aggressivem Verhalten führen kann, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden.

 

Interessant ist, dass die Intensität der Kundenaggressivität je nach Branche durchaus unterschiedlich ist:

  • Ämter und Behörden: Hier haben Beschimpfungen stark zugenommen, besonders bei Sozialhilfestellen.
  • Finanzsektor: Ein deutlicher Anstieg von Drohungen ist zu verzeichnen.
  • Gesundheits- und Sozialwesen: Verbale Aggressionen und sogar körperliche Gewalt sind hier besonders ausgeprägt.

Diese Unterschiede lassen sich oft auf die Art der Interaktion, Kundenerwartungen und spezifische Arbeitsbedingungen zurückführen.

Schon nach dem dritten Anruf ist der Tag gelaufen


Frau reibt sich erschöpft die Augen
Maria verzweifelt an den aggressiven Kunden am Telefon

„Hey, ich muss dir von letztem Montag erzählen. Der war echt der Horror! Ich sitze da, ganz entspannt, bereit für die neue Woche. Nach einem ruhigen Wochenende dachte ich, das wird ein guter Tag. Aber schon nach dem dritten Telefonat war der Tag gelaufen.

 

Der erste Anruf kam rein, und ich dachte mir: ‚Okay, das wird schon.‘ Aber der Kunde war sofort total wütend wegen einer verspäteten Lieferung. Ich hab versucht, ihm zu helfen und ruhig zu bleiben. Aber der hat einfach nicht aufgehört zu schreien. Ich hab mich echt bemüht, die Situation zu entspannen, aber das ging einfach nicht.

 

Dann kam der nächste Anruf – und es wurde nicht besser! Der Kunde hatte ein Problem mit seiner Rechnung und hat sofort losgeplärrt. Ich konnte kaum einen Satz sagen, kam überhaupt nicht zu Wort! Ich hab alles gegeben, um die Infos zu bekommen und ihn zu beruhigen, aber es war wie gegen eine Wand zu reden.

 

Und dann kam das dritte Telefonat. Ich schwöre, ich hatte innerlich schon aufgegeben. Der Kunde hat mich beleidigt und gesagt, dass unser Unternehmen unprofessionell ist. Ich hab den Hörer aufgelegt und dachte nur: ‚Wow, es ist erst 10 Uhr morgens und ich bin schon durch.‘ 

 

Das ist echt nicht mehr leicht im Kundenservice. Manchmal frage ich mich, wie man mit so viel Aggression umgehen soll. Ich weiß, dass ich Strategien zur Stressbewältigung brauche, um nicht selbst den Kopf zu verlieren und trotzdem einen guten Service bieten zu können.“


Auswirkungen auf Mitarbeiter und Unternehmen

  • Erhöhter Stress
    Kundendienstmitarbeiter haben immer mehr mit psychischem Druck zu kämpfen. Wenn sie häufig mit wütenden oder aggressiven Kunden sprechen müssen, ist das auf die Dauer sehr belastend für sie. Sie fühlen sich unzufrieden und erschöpft, ihre Gesundheit leidet. Die Ergebnisse aus firmeninternen Untersuchungen zur psychischen Gefährdungsbeurteilung zeigen dies sehr deutlich. 
  • Höhere Fluktuation
    Wegen der schwierigen Arbeitsbedingungen verlassen immer mehr Mitarbeiter ihren Job. Wenn die Arbeit im Kundenservice zu stressig ist und sie oft mit unangenehmen Situationen konfrontiert werden, suchen viele nach einer anderen Stelle. Diese hohe Fluktuation ist für Unternehmen problematisch, weil sie ständig neue Mitarbeiter einstellen und schulen müssen.
  • Qualitätseinbußen
    Gestresste Mitarbeiter können oft nicht die beste Servicequalität bieten. Wenn jemand unter Druck steht, macht er schneller Fehler oder hat weniger Geduld mit den Kunden. Mittelfristig führt das dazu, dass immer mehr Kunden unzufrieden sind, weil sie nicht die Hilfe bekommen, die sie brauchen.
  • Imageschaden
    Durch die sozialen Medien verbreiten sich negative Erfahrungen von Kunden sehr schnell im Netz. Schlechte Erlebnisse werden viel öfter erzählt oder online gepostet, als positive. Das kann das Image eines Unternehmens stark schädigen. Viele potenzielle Kunden schauen sich Bewertungen an, bevor sie eine Entscheidung treffen. Wenn es viele negative Kommentare gibt, kann das schnell dazu führen, dass weniger Menschen bei diesem Unternehmen kaufen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen.

Was können Unternehmen tun? - 5 Lösungsansätze

1. Schulen Sie Ihre Mitarbeiter zu funktionierenden Deeskalationstechniken

Eine der effektivsten Methoden, um die Situation im Kundenservice zu verbessern, ist die gezielte Schulung der Mitarbeiter. Diese Schulungen sollten nicht nur einmalig sein, sondern regelmäßig stattfinden, damit die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten kontinuierlich verbessern können. In den Deeskalationstrainings lernen die Mitarbeiter, wie sie in stressigen Situationen ruhig bleiben können. Sie üben verschiedene Techniken, um Konflikte zu entschärfen – zum Beispiel durch aktives Zuhören, das Verständnis für die Sichtweise des Kunden und das Formulieren von beruhigenden Antworten.

Zusätzlich sollten die Schulungen auch Stressmanagement-Strategien umfassen. Hier lernen die Mitarbeiter, wie sie mit ihrem eigenen Stress umgehen können. Techniken wie Atemübungen, kurze Entspannungspausen oder das Setzen von Prioritäten im Arbeitsalltag können helfen, den Druck zu reduzieren. Wenn Mitarbeiter wissen, wie sie Stress abbauen können, sind sie nicht nur zufriedener, sondern auch besser in der Lage, freundlich und professionell auf Kundenanfragen zu reagieren.

Ein weiterer Aspekt könnte die Schulung in Kommunikationsfähigkeiten sein. Die Mitarbeiter lernen, wie sie klar und verständlich kommunizieren können und wie wichtig eine positive Sprache ist. Rollenspiele könnten eingesetzt werden, um verschiedene Szenarien durchzuspielen und den Mitarbeitern zu helfen, sich auf echte Situationen vorzubereiten.

2. fördern sie empathisches telefonieren

Empathie ist ein Schlüsselbegriff in der Kundenkommunikation. Es bedeutet, dass sowohl die Mitarbeiter als auch die Kunden lernen sollten, sich in die Lage des anderen zu versetzen. Das heißt, die Mitarbeiter müssen verstehen, dass viele Kunden frustriert sind, weil sie Hilfe brauchen und oft nicht wissen, wie es weitergeht. Wenn ein Kunde anruft, ist er möglicherweise schon gestresst oder enttäuscht von einem Problem, das er hat. Wenn die Mitarbeiter dies erkennen und darauf eingehen, können sie viel besser helfen.

Workshops sind eine gute Möglichkeit, um Empathie zu trainieren. In diesen Workshops können Mitarbeiter lernen, wie sie besser auf die Gefühle der Kunden eingehen können. Sie üben Situationen durch Rollenspiele und lernen, wie wichtig es ist, freundlich und verständnisvoll zu sein. Auch Team-Events können das Verständnis innerhalb des Teams stärken. Wenn Mitarbeiter zusammenarbeiten und sich besser kennenlernen, entsteht ein Gefühl von Gemeinschaft. Das kann dazu führen, dass sie sich gegenseitig unterstützen und in stressigen Situationen besser zusammenarbeiten.

3. Optimieren Sie ihre prozesse auf mehr kundenorientierung

Die Optimierung der internen Prozesse ist entscheidend für einen reibungslosen Ablauf im Kundenservice. Schauen Sie sich genau an, wo es Engpässe gibt und welche Schritte im Serviceprozess verbessert werden können. Einer der wichtigsten Punkte ist es, die Wartezeiten für Kunden zu verkürzen. Das kann durch den Einsatz von Technologien geschehen, wie z.B. durch ein verbessertes Ticket-System oder durch die Einführung von Rückrufdiensten, bei denen Kunden einen Rückruf anfordern können, anstatt in der Warteschleife zu hängen.

Eine weitere Stellschraube ist die Beschleunigung der Problemlösungen. Unternehmen könnten klare Richtlinien und Verfahren erstellen, damit Mitarbeiter wissen, wie sie häufige Probleme schnell lösen können. Wenn es beispielsweise eine häufige Anfrage gibt – wie Fragen zu Rechnungen oder Lieferstatus – sollten dafür standardisierte Antworten oder Lösungen bereitgestellt werden. Auch regelmäßige Meetings zur Fallbesprechung können helfen, aus Erfahrungen zu lernen und Lösungen schneller zu finden.

Zusätzlich könnte der Einsatz von Datenanalyse-Tools sinnvoll sein. Durch das Sammeln und Auswerten von Daten über Kundenanfragen können Unternehmen Trends erkennen und proaktiv handeln. Wenn beispielsweise viele Kunden ähnliche Probleme haben, kann das Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um diese Probleme an der Wurzel zu packen.

4. setzen sie neue techniken sinnvoll ein

Technologie kann eine große Hilfe sein, wenn sie richtig genutzt wird. Insbesondere Künstliche Intelligenz (KI) spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie kann einfache Anfragen schnell beantworten und Informationen bereitstellen. Zum Beispiel können Kunden häufige Fragen zu Öffnungszeiten, Preisen oder Bestellungen sofort über einen Chatbot klären. Das spart Zeit für alle Beteiligten, denn die Mitarbeiter müssen sich nicht mit Routinefragen beschäftigen und können sich stattdessen auf kompliziertere Anliegen konzentrieren und sich mehr um die Kunden kümmern, die wirkliche Hilfe benötigen. Wenn einfache Anfragen automatisiert werden, bleibt den Mitarbeitern mehr Zeit für persönliche Gespräche. Der direkte Kontakt zu den Kunden ist wichtig, denn viele Menschen möchten das Gefühl haben, dass sie gehört werden und dass ihre Anliegen ernst genommen werden.

Aber Technologie kann den menschlichen Kontakt nicht ersetzen! Kunden schätzen es, wenn sie mit einer echten Person sprechen können, besonders wenn sie ein Problem haben oder frustriert sind. Die persönliche Ansprache und das Gefühl, wirklich gehört zu werden, sind entscheidend für ein gutes Serviceerlebnis. Wenn Mitarbeiter in der Lage sind, empathisch auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen, verbessert das die Kundenzufriedenheit erheblich.

Technologien mit oder ohne künstliche Intelligenz sind nur dann sinnvoll im Kundenservice eingesetzt, wenn die Systeme benutzerfreundlich sind. Das bedeutet, dass sowohl Mitarbeiter als auch Kunden leicht verstehen sollten, wie man die Technologie nutzt. Schulungen für Mitarbeiter sind wichtig, damit sie wissen, wie sie die neuen Systeme effektiv einsetzen können.

5. verbessern sie das arbeitsumfeld ihrer mitarbeiter

Das Arbeitsumfeld spielt eine große Rolle für das Wohlbefinden der Mitarbeiter im telefonischen Kundenservice. Unternehmen sollten darauf achten, dass ihre Mitarbeiter ausreichend Pausen haben und diese auch aktiv nutzen. So können sie zum Beispiel spezielle Pausenräume einrichten, in denen Mitarbeiter entspannen oder sich unterhalten können – vielleicht sogar mit Annehmlichkeiten wie bequemen Sitzgelegenheiten oder einer kleinen Snack-Bar.

Speziell dann, wenn über einen längeren Zeitraum viele Beschwerdeanrufe zu erwarten sind, ist angeleitete Supervision für das Kundenservice-Team eine weitere sehr gute Möglichkeit. Das bedeutet, dass Mitarbeiter regelmäßig die Möglichkeit haben sollten, ihre Erfahrungen und Herausforderungen in einem geschützten Rahmen zu besprechen. Dies könnte in Form von Gruppensitzungen oder Einzelgesprächen mit einem erfahrenen Supervisor geschehen. Solche Gespräche helfen den Mitarbeitern nicht nur dabei, ihren Stress abzubauen, sondern bieten auch eine Plattform zum Austausch von Best Practices.

Psychologische Unterstützung sollte ebenfalls Teil des Angebots sein. Unternehmen könnten Programme zur mentalen Gesundheit einführen oder externe Fachkräfte engagieren, die den Mitarbeitern bei Bedarf zur Seite stehen. Workshops zur Stressbewältigung oder zur Förderung von Resilienz könnten ebenfalls angeboten werden.

Wenn Mitarbeiter sich wertgeschätzt fühlen und wissen, dass ihre Gesundheit ernst genommen wird, sind sie motivierter und engagierter bei ihrer Arbeit. Ein gutes Arbeitsumfeld führt nicht nur zu zufriedeneren Mitarbeitern; es wirkt sich auch positiv auf den Kundenservice aus.