Sprache, Denken, Wirklichkeit

Heute morgen habe ich dieses Zitat gefunden und bin noch immer fasziniert, wie es eine ganze Denkrichtung in einem Satz zusammenfasst:

 

Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt

 

Ich habe mich schon während meiner Schulzeit intensiv mit Sprache beschäftigt; und damit, wie Sprache unser Denken prägt. Nicht umsonst steht in der Bibel „am Anfang war das Wort". Später, während meines Studiums, lernte ich die Philosophie des Konstruktivismus kennen, deren Radikalität in letzter Konsequenz mich immer noch schwindeln lässt.

 

Doch zurück zum Zitat: Warum ist es so wichtig, dass wir auf unsere Formulierungen achten?

 

Die Art wie wir formulieren, welche Worte wir wählen, bestimmt unser Denken und unsere Geisteshaltung.

 

Diese innere Haltung funktioniert wie eine Art Filter, der unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit prägt. Nehmen Sie diesen einfachen Satz: „Die Führungskraft spricht mit einem Mitarbeiter“.

  • Welches Bild entsteht beim Lesen in Ihrem Kopf? Was siehst du?
  • Wenn Sie darüber nachdenken, was hätten Sie sonst noch sehen können?
  • Sehen Sie zwei Frauen? Wahrscheinlich eher nicht. Warum nicht?

Das gesprochene Wort löst sofort gedankliche Aktivitäten, Assoziationen aus. Achten Sie auf Ihre Gefühle, Befindlichkeiten, wenn Sie lesen ...

🌞 Sommer – Sonne – Strand – Meer – Ruhe …

⏰ oder Arbeit – Aktenberge – Lärm – Klingeln – Stress …

 

Übrigens geht es mir auch so mit bestimmten Vornamen. Beates haben es schwer bei mir (an alle Beates dieser Welt: Ich leiste hiermit Abbitte). Mit dem Namen Beate verbinde ich einfach keine guten Gefühle. Mein Hirn weiß, dass das Blödsinn ist. Meinen Bauch stört das nicht. Und ich weiß wirklich nicht warum, denn bewußt habe ich mit keiner mir bekannten Beate je Negatives erlebt.

 

Erfreulicherweise funktioniert der Zusammenhang auch in die andere Richtung: Ich kann mit meiner Wortwahl mein Denken beeinflussen!

 

1992 schrieb der amerikanische Kommunikationsexperte und Erfolgsautor George Walther sein Buch "50 ways to say what you mean and get what you want" und prägte den Begriff des "Power Talking".  Heute sagt er vereinfacht: "What you say is what you get".  Ihm geht es dabei nicht nur um die Sprechgewohnheiten von großen Persönlichkeiten, weil sie mit ihrer Sprachtechnik des Power-Talking erfolgreich Selbstbewusstsein, Klarheit, Kompetenz und Lob miteinander verbinden. Er zeigt in seinem Buch auch an ganz einfachen kleinen Beispielen, wie wir durch positives Formulieren positiver denken und damit auch positiver eingestellt durch den Tag gehen können.

 

Das Beispiel, das mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, ist das kleine Wörtchen "gerne". Je öfter Sie diese Wörtchen verwenden, zum Beispiel in Ihrem Arbeitsalltag, am Telefon oder im Verkauf, um größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich selber glauben werden, dass Sie das, was Sie tun, auch gerne tun.

 

Weitere bekannte positive sprachliche Suggestionen sind das kleine Wörtchen "noch" bei dem Satz "das kann ich (noch) nicht". In die gleiche Richtung wirkt zum Beispiel "das geht (so) nicht". Der kleine so-Einschub schafft plötzlich Raum für neue Möglichkeiten. Oder - etwas schwieriger - statt "ich muss heute noch so viel machen" "ich schaffe heute noch ganz viel". Ebenso statt "das kann ich nicht" einfach mal nur mit der Variante "das probiere ich einmal" im Kopf zu spielen.

 

Positiv zu formulieren kann man lernen, tatsächlich sogar recht schnell.

 

Es ist eine reine Frage der Übung und damit der Disziplin. Die Art wie wir formulieren ist eine Gewohnheit. Und Gewohnheiten kann man sich auch wieder abgewöhnen! Machen Sie dabei bitte kleine Schritte. Suchen Sie ein Wort oder einen Satz, den Sie von sich gut kennen und den Sie gerne ins positive verändern wollen. Immer wenn Ihnen auffällt, dass Sie diesen Satz gesagt oder gedacht haben, denken und sagen Sie ihn positiv. Irgendwann fällt es Ihnen bereits auf, während Sie den Satz sagen - dann knotet sich Ihre Zunge ein bißchen - macht nix! Denn dann sind Sie über den Berg! Beim nächsten Mal fällt es Ihnen ein und auf, schon bevor Sie die negative Formulierung verwenden und Sie können direkt die positive nutzen. Jetzt klopfen Sie sich einmal links auf die Schulter und einmal recht und feiern Sie Ihren ersten Erfolg. Und dann nehmen Sie sich den nächsten Satz vor.

 

Wichtig ist noch: Verfallen Sie dabei bitte nicht in eine Art "Neusprech" oder Schönfärberei. Begrifflichkeiten wie der "Entsorgungspark" für das Atomendmülllager oder die "Freisetzung" von Mitarbeiter funktionieren zwar, doch die Menschen fühlen sich dabei ganz schön veräppelt.

 

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren und viel Erfolg beim positiven Formulieren und Denken und ende mit einer alten asiatischen Weisheit:

 

Ihre Vera Radnitz